Galerie Vera Munro, Hamburg
(einige Fotos von Bildern unter "artists")
Galerie Philip Nelson, Paris
(französische Site mit Lebenslauf)
Helmut Dorner - Malerei 1988-2005
Informationen zur Austellung im Saarlandmuseum
Problem der malerischen Organisation:
Wie organisiert sich ein Bild?
Wie entsteht ein Bild?
Malerei als ihr eigenes Thema -
Es geht um das Verteilen der Farbe auf dem Malgrund,
nicht um die Formen und Symbole, die dabei entstehen.
Der Prozess der Bildentstehung formuliert die Aussage,
das Ergebnis berichtet dabei von dem Prozess.
Der Betrachter benötigt keinen Zeichenapparat (Zeichen),
um die Bilder zu interpretieren. Die Formen, die beim Auftragen der Farbe entstehen,
sind nicht als Symbole gedacht. Der Künstler achtet eher darauf,
das die Formen nicht zu Symbolen werden.
Es gibt zwei Gegenpole der Interpretation, die sich im zwanzigsten Jahrhundert herausgebildet haben. Die eine Seite beschäftigt sich mit den Inhalten der Bilder und die andere mit dem Prozess (Wie ist das Bild entstanden?) Bei Dorner gelangt der Betrachter nicht durch die Interpretation von Symbolen und Bildinhalten zu Aussagen, sondern durch die Beobachtung des Materials und seinem Verhalten auf dem Bildträger. Bei den Ölbildern steht die Farbe in Verbindung mit dem ursprünglichen Prozess des Erschaffens - der Mensch hat den Ton in den Händen und betätigt sich kreativ. Dabei zeigen die Bilder nicht ein Gefäß oder eine Skulptur, die der schaffende Mensch formt, sondern die Maltechnik steht in Zusammenhang mit dem Prozess des Erschaffens. Die Bilder zeigen das Werden, nicht das Endprodukt. Bei den Lackbildern nimmt der Künstler eine Art Lenkerfunktion ein. Er ist der Kapitän auf seiner Scholle, der den Impuls für die Farbe gibt. Danach sucht sich die Farbe dann ihren eigenen Weg auf dem Plexiglasgrund. Sie fliest um vorhandene Farbfelder herum und zieht noch flüssige Farbe mit sich.
Bei beiden Methoden in Dorners Malerei wird das Material der Farbe durch den Träger betont. Die relativ kleinen Ölbilder sitzen auf einem bis zu 7cm dicken Untergrund, auf dem sich die Farbe als 1-2cm dicke Schicht befindet. Die Seiten der Platten sind weiß mit Grundierung versehen, die Farbe steht teilweise sogar an den Rändern über. Den Untergrund für die Lackbilder bildet mattiertes Plexiglas. Die Farbe löst sich von ihrem Träger, der durch seine Durchsichtigkeit von seiner Materialität verliert.
Der Mensch steht in beiden Malweisen als kreatives Wesen neben dem Material und seinen Möglichkeiten. Er bezwingt nicht das Material, indem er es in eine vom ihm vorgedachte Form presst, sondern gibt Anstöße, wie sich das Material organisieren soll (Selbstorganisation). Die kreative Seite des Menschen erfährt hier eine kommunikative und spielerische Ausformung. Sie steht im Gegensatz zu etwa dem barocken Weltbild, das den Menschen als König der Natur darstellte. Die hierarchische Auffassung der Welt wird durch das Netzwerkdenken abgelöst.
Die Malerei von Helmut Dorner begreift den Menschen als Teil eines Systems, der durch seine Kreativität Impulse setzen kann. Das System wird auf diese Impulse reagieren, aber der Mensch wird es nicht beherrschen können. Der Mensch kann an den Regeln des Systems mitarbeiten, aber er hat nicht die Möglichkeit über das System zu blicken, da er Teil des ganzen ist (Niklas Luhman- Systemtheorie).
Was ist aber nun die Aussage der Bilder?
Über die Bewegungen der Farbe,
über die Rolle des Künstlers im Malprozess gibt es die Möglichkeit
die Bildwerdung mit Phänomenen in der realen Welt zu vergleichen.
Es lassen sich Bezüge zur neueren Betriebs- und Personalführung herstellen.
Ebenso kann man die Bilder als Visualisierung eines Netzwerkdenkens verstehen.
Es lassen sich viele Parallelen finden, dem Betrachter steht es offen,
eigene Bezüge zu seinem Leben herzustellen.
Die Bilder bewegen sich auf einem Grat zwischen dem Formhaften und dem Formlosen. Die Farbbewegungen sind deutlich wahrnehmbar, es herrscht kein unentwirrbares Durcheinander. Formen sind erfahrbar, aber nur schwer bestimmbar. Die Farben unterstützen das ganze. Sie sind gut voneinander durch ihren Kontrast unterschieden, allerdings leuchten sie nicht heraus. Dorner verwendet gedeckte Rost-, Grün- und Beigetöne. Die Farben sind gedeckt und erinnern an Herbstfarben. Sie geben den Bildern ein Naturerscheinen, welches bei den Lackbildern an Flüssigkeiten in einer Petrischale erinnert.
Die Formen entstehen zwar durch Körperbewegungen, aber die Hand- und Armbewegungen sind nicht unmittelbar auf dem Bild wahrnehmbar. Dies erreicht Dorner unter anederm durch die Auswahl der Formate. Die Ölbilder sind zu klein für eine gestische Malerei und die Lackbilder zu groß. Die gestische Malerei, die ein Teil der abstrakten Malerei ist, versucht den Bezug zum Menschen durch Bewegungen im Bild herzustellen. Die Spuren auf dem Bild lassen Rückschlüsse auf die Bewegung der Arme während des Malvorganges ziehen. Diese Gesten stehen im Verhältnis zur Entwicklung des Menschen, der eine Sprache und Schrift erfand. Künstler versuchten so eine abstrakte Sprache zu generieren. Bei Dorner spielen Zeichen und Symbole keine Rolle, die Gesten, die eventuell in den Bildern erscheinen, verweisen nicht auf Inhalte, sondern auf die ursprüngliche Handlung: Der Mensch hat seine Hände in der Farbe und (er-)schafft.
Beim Verwenden von Zeichen und Symbolen ist eine Syntax vonnöten, die die Zeichen verbindet und zu Sätzen formt. In älteren Gemälden gibt es einen Weg durch das Bild, der oft von links unten mit einer Eingangsfigur beginnt. Der Betrachter wird durch das Bild gelenkt. Wenn das Bild seitenverkehrt abgebildet wird, verschwindet dieser Weg und die Bilderzählung funktioniert nicht mehr. Manchmal passiert dies beim Abdrucken von Bildern in Zeitschriften oder beim Veröffentlichen im Internet. Bei Dorner gibt es kein oben und unten, die Bilder können auch anders herum gehängt werden. Ebenso verschwimmt die Bildgrenze, die Arbeiten nehmen starken Bezug zu dem Raum und dem Licht um sie herum. Einzelne Bilder sind zu Gruppen geordnet, die aber nicht durch die Hängung ablesbar sind. Das einzelne Bild steht zwar für sich autonom und einzeln erfahrbar, reiht sich aber in der Gruppe als gleichberechtigter Teil ein. Dabei hebt sich der Widerspruch zwischen der Einzelbildwirkung und der Gesamtwirkung auf. Als gegensätzlichen Vergleich bietet sich die Gestaltung eines Gesamtkunstwerkes an. Dort treten die einzelnen Künste in ihrer Wirkung zugunsten des Gesamtklanges zurück. Alle Details orientieren sich an der Gesamtheit. Bei Dorner gibt es diesen Gesamteindruck der Ausstellung, ohne dass die Einzelwerke in ihrer Ausgestaltung zurücktreten.
Schauen sie zu Dorner auch unter:
Saarland Museum
Kunstmuseum Winterthur
Galerie Vera Munro, Hamburg - einige Fotos von Bildern unter "artists"
Galerie Philip Nelson, Paris - französische Site mit Lebenslauf
Begriffserklärung
Zeichenapparat: Die Sprache ist aus Zeichen und Bildern aufgebaut,
die über Schrift und Wort in eine Form gegossen werden.
Ebenso entwickelt die Kunst Zeichensysteme,
die sich je nach Epoche unterscheiden.
Ein mittelalterliches Bild muss anders gelesen werden
als ein Bild der Renaissance. Als Beispiel bedeuten die nach unten geklappten Füße
der Figuren in mittelalterlichen Bildern nicht, dass die Personen über dem Boden schweben,
sondern erzählen von einer völlig anderen Raumauffassung. In einem Bild
der Renaissance bedeutet das gleiche Zeichen, das die Person nicht auf dem Boden steht,
sondern schwebt. In Darstellungen des auferstandenen Christus wird die verwendet.
Die Kunst im zwanzigsten Jahrhundert hat sich verstärkt mit diesem Zeichenapparat beschäftigt. Dabei haben viele Kunstrichtungen die traditionellen Erzählweisen negiert oder bewusst eingesetzt, um den Betrachter in die Irre zu führen. Es gibt Bilder (z.B. der Gruppe SPUR), die bewusst keine Bilderzählung vorgeben. Die Künstler haben teilweise sogar mehrmals signiert, so dass das Bild kein Oben und Unten besitzt.
Text: Alexander Emmert, August 2006